Sensationeller Auftakt für Garching I in Forchheim

Montag, 14 Oktober 2013 15:16 Benno

Bindlach-Garching

 

Der SC Garching hat eine recht eigentümliche Beziehung zur Zweiten Bundesliga – eine Beziehung, die genau umgekehrt verläuft wie die meisten Paarbeziehungen: Es geht eigentlich immer beschissen los und endet glücklich. Da ich die Mannschaftssitzungen weitestgehend geschwänzt hatte, hatte ich die strategische Marschrichtung, die ganz offensichtlich auch in diesem Jahr wieder ausgegeben worden war, leider nicht mitbekommen. Rückblickend ist mir aber klar geworden, dass die Devise wohl lautet: Wir machen’s wie immer, in den ersten Runden stellen wir uns an wie die Jamaikaner beim Eishockey, um dann gegen Saisonende ein interessantes Finish hinzulegen.


Entsprechend unbedarft setzte ich mich ans Brett. In einem Grünfeldinder kannten sowohl mein Gegner als auch ich die Theoriezüge sehr genau – allerdings kannte ich als Sahnehäubchen auch noch die Reihenfolge, in der sie gespielt werden, so dass ich bald die Dame des Gegners in Schwierigkeiten bringen und eine Figur gewinnen konnte. Wie groß meine Schande, wie erbärmlich das Wehklagen der Teamkollegen, als ich den Gegner schließlich zur Aufgabe zwang und damit unsere Saisontaktik konterkarierte. (Brett 7, Rücker-Opitz, 1-0)


Doch die Kollegen Schmitz und Dehlinger, ihres Zeichens echte Helden des Klassenkampfes, waren nicht gewillt den unliebsamen Trend des Wettkampfes fortdauern zu lassen. Während der Erstgenannte mit Weiß schon recht zeitig alle Zeichen auf die mannschaftsdienliche Null stellte (klassisches Qualitätsopfer des Gegners, für das dieser Läuferpaar und zwei Bauern erhielt), stellte sich letzterer hinten rein und verwaltete fünf Stunden lang umsichtig seine schlechtere Stellung, um den richtigen Moment für die Aufgabe abzuwarten. Dass beide Partien gegen Ende des Wettkampfes auch tatsächlich verloren gehen konnten, obwohl die Gegner noch ungenau spielten, ist wiederum dem selbstlosen Opfermut unserer Freunde zu verdanken. Bravo Kameraden! (Brett 5, Schmitz-Cech 0-1; Brett 8, Stips-Dehlinger 1-0)


Roland Lötscher (an Brett eins) ist offenbar zu stark und zu stolz, um einfach zu verlieren, auch wenn der Common Sense es diktiert – andererseits aber auch niemand, der der Mannschaft in den Rücken fiele. So blieb ihm als eleganter Ausweg aus dem Dilemma ein Remis in ausgeglichener Stellung, nachdem beide Spieler ihre Vorbereitung gezeigt hatten. (Brett 1, Lötscher-Neuman, ½-½)


Markus Schleich hatte in der Eröffnung gegen den Iren Gavin Wall recht bald ausgeglichen, und konnte in einer interessanten Struktur leider einige Vorteile erspielen. Umsichtig wie immer vereinbarte er aber in der Schlussstellung, die aus konkreten taktischen Gründen etwas besser für ihn war, remis. (Brett 6, Wall-Schleich ½-½)


Ungemach drohte jedoch auch noch von anderer Seite – bei Harald Bredl schien nämlich der persönliche Ehrgeiz überhand zu nehmen, hatte er sich doch auf der weißen Seite eines Nimzo-Inders bald Vorteile und einen Mehrbauern gegen seinen nominell favorisierten Gegner erspielt. Als er in Gewinnstellung zwischen verschiedenen vielversprechenden Fortsetzungen abwog, ging er glücklicherweise noch einmal in sich und fand doch noch seinen Sinn für das große Ganze – die Partie endete sofort im Dauerschach. (Brett 3, Bredl-Heinz, ½-½)


Dagegen musste man bei Elena Levushkina dieses Mal eigentlich nicht befürchten, dass ein voller Punkt herausspringt; eine recht passive Stellung führte letztlich zu einem Endspiel mit einem Minusbauern. Mit einem aktiven Turm und präzisen Zügen hielt Elena die Partie remis und bescherte uns einen halben Zähler, der unsere Matchstrategie allerdings absehbar schon nicht mehr gefährden würde. (Brett 4, Tereick-Levushkina, ½-½)


Generell zufriedenstellend war auch die Partie am zweiten Brett verlaufen, wo Christian Köpke lange Zeit dabei war, seinen Königsinder gegen die Wand zu fahren – aber hier war der Gegner ein starker Titelträger, und der wusste auch, dass so früh in der Saison besser nicht voll gepunktet wird. GM Petr ermöglichte also, dass die Stellung verunklarte, und fast hätte Chris den vollen Punkt und damit unsere gemeinsamen Bemühungen zunichte gemacht. Zum Glück erwiesen sich die Läufer des Weißen als sehr stark, und die Partie endete Remis. (Brett 2, Petr-Koepke, ½-½)


Endstand: Bindlach 4,5 – Garching 3,5. Alles in allem war es ein Wettkampf, in dem wir gegen die favorisierten Bindlacher alles geben mussten, um nicht zu unseren ersten Mannschaftspunkten zu kommen wie die Jungfrau zum Kinde. Umso größer natürlich die Erleichterung, als die Niederlage endlich feststand – wir fielen uns in die Arme und beglückwünschten uns gegenseitig zu diesem Auftakt nach Maß.

 

 

Garching-Forchheim


Jetzt galt es nur noch, diese exzellente Frühform auch in die zweite Runde am Sonntag hinüberzuretten. Aber auch gegen den Erstligaabsteiger Forchheim haben wir es wieder etwas spannender gemacht, als es die Freunde der gepflegten Doppelklatsche für gewöhnlich goutieren.


Bei Roland Lötscher war eine Stellung des beschleunigten Drachens entstanden, in der Schwarz präzise Züge finden musste, um nicht in Nachteil zu geraten. Wir bauten ganz darauf, dass Shootingstar Leon Mons unseren Teamkollegen nach c4-c5 im Zentrum zerlegen würde, aber Roland hielt seinen Laden wie gewohnt zusammen. (Brett 1, Mons-Lötscher, ½-½)


Mein Gegner spielte im königsindischen Angriff eine eher seltene Idee mit exd5, von der ich absolut keine Ahnung hatte. Leider war dieser Ansatz aber auch etwas harmlos, so dass ich nicht um eine ausgeglichene bis leicht angenehmere Stellung herumkam. Ganz im Vertrauen auf die hohe Spielkultur der Schachkollegen nahm ich ein Remisangebot des Gegners an. (Brett 7, Doeres-Rücker, ½-½)


Da am Vortag beinahe ein big point herausgesprungen wäre, verzichtete Harald Bredl in dieser Runde lieber gleich ganz aufs Schachspielen im eigentlichen Sinne – er lief dem Gegner in eine zuhause präparierte Variante und durfte schließlich trotz einiger Gegenwehr das Partieformular unterschreiben. (Brett 3, Rupprecht-Bredl, 1-0)


Allerdings bescherte uns das starke Spiel von Alexander Dehlinger auf der weißen Seite eines Fianchetto-Königsinders großes Kopfzerbrechen; nach einem strategisch leider mehr als anständig vorgetragenen Mittelspiel erreichte er das klassische Endspiel mit Springer gegen den schwachen schwarzfeldrigen Läufer, das er auch souverän gewann.     Auch an einigen anderen Brettern sah es inzwischen bedrohlich gut aus – sollten wir etwa in der zweiten Runde bereits Schiffbruch erleiden? (Brett 8, Dehlinger-Bartsch, 1-0)


Die Garchinger Welt rückte allerdings Thorsten Schmitz wieder gerade. Während er noch passabel aus einer Philidor-Verteidigung herausgekommen war,     flogen bald links und rechts ein paar Bauern vom Brett, was schließlich zu einem verlorenen Turmendspiel führte. Wir gratulierten dem Schachfreund. (Brett 5, Heidrich-Schmitz 1-0)


Als die drittletzte Partie zu Ende ging, da Markus Schleich sein wohl ausgeglichenes Springerendspiel mit c2-c3 erfolgreich in eine Niederlage konvertiert hatte (vorher hatte er dankenswerterweise in einem Lg5-Pirc Möglichkeiten, in Vorteil zu kommen, ausgelassen), knallten bei uns natürlich bereits die Sektkorken. (Brett 6, Schleich-Bade, 0-1)


Zusätzlicher Grund zur Euphorie war nämlich, dass Elena schon lange gedrückt und unterentwickelt stand, und zu diesem Zeitpunkt einen Minusbauern ‚hatte‘. Leider spielte der Gegner hier nicht ganz mit – trotz zusätzlich vorhandenem Läuferpaar blieb die Partie in der Schwebe. Nachdem inzwischen eigentlich klar war, dass keine weitere Niederlage zur Realisierung unseres Vorhabens nötig war, konnte Elena das Remisgebot ihres Gegners beruhigt annehmen. (Brett 4, Levushkina-Seyb, ½-½)


Nun lief nur noch die Partie von Christian Köpke gegen Altmeister Vlastimil Jansa, doch diese ließ nicht nur Mannschaftsführer Hans bedenklich den Kopf wiegen; da waren doch tatsächlich Positionsvorteile (insbesondere bessere Leichtfiguren) praktisch ohne Gegenchancen für den Forchheimer Kontrahenten zu sehen, nachdem Chris gut aus einem c3-Sizilianer gekommen war. Zu allem Überfluss spielte Chris auch noch geschickt, so dass ein Sieg drohte. Doch GM Jansa verteidigte sich in Zeitnot aktiv und konnte schließlich das Remis praktisch erzwingen. (Brett 2, Köpke-Jansa, ½-½)

 

Endstand: Forchheim 5, Garching 3. Mission accomplished – der Zug Richtung Oberliga Bayern hat damit wieder einmal den Bahnhof verlassen, und wir sind schwungvoll aufgesprungen; richtig Dampf in den Kessel bringen können wir schon am nächsten Spieltag, falls wir gegen Nürnberg mal nicht so viele chancenreiche Partien produzieren, sondern von vornherein konsequent ein schachliches Waterloo avisieren. Ich freu mich drauf!